Version 1.0b vom 26.3.2003, mit kleinen Ergänzungen der
Version aus
dem Jahr 1998.
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Thesen über Arbeitslosigkeit
Arbeitslosigkeit ist ein soziales Konstrukt
Läßt man sich auf diese Feststellung ein, wird klar, warum
Steuerberater
gebraucht werden: Sie haben einen Beruf, weil die Gesellschaft ein
Steuersystem
erschaffen hat, das nach einiger Zeit das Berufsbild des Steuerberaters
entstehen ließ. Es gibt keinen "Steuerberater an sich". Dieser
Beruf
existiert nur in bestimmten Gesellschaftsordnungen (bestimmte, d.h.
historisch
existierende Ausprägung aller sozialen Beziehungen in einer
Gesellschaft).
Dies betrifft natuerlich nicht alle Berufe. Davon ausgenommen sind auf
den ersten Blick diejenigen mit direktem Bezug zur biologischen
Lebenserhaltung.
Aber ähnlich einer Bedürfnispyramide werden die Berufe nach
oben
hin immer abstrakter und immer mehr abhängig von der
Gesellschaftsordnung,
die sie hervorgebracht hat. Geht man nun einen Schritt weiter, wird
klar,
daß auch Arbeitslosigkeit ein soziales Konstrukt ist. Zur
Begriffsklärung:
Unter "Arbeitslosigkeit" verstehe ich die von einem Betroffenen nicht
erwünschte
Abwesenheit von Erwerbsarbeit.
Es gibt keine "Arbeitslosigkeit an sich". Arbeitslosigkeit entsteht,
wenn eine Gesellschaftsordnung dies zuläßt. Dies ist die soziologische
Komponente von Arbeitslosigkeit.
Es gibt nun eine psychologische Komponente, die das Umgehen
mit Arbeitslosigkeit so schwierig für die westliche Gesellschaft
macht:
Ein Arbeitsloser ist oft tendenziell unzufrieden. Dafür gibt es
mannigfaltige
Gründe. Es ist jedenfalls nicht so, daß "Freiheit von
Arbeit",
Müßiggang, Kontemplation oder Konzentration auf die
"wesentlichen
Dinge" des Lebens als hohes Gut gilt. Nein, vielmehr gilt das
Gegenteil:
Erwerbsarbeit regelt nahezu alles in einer westlichen Gesellschaft:
Status,
Einkommen, Freizeit, Selbstwertgefühl, soziale Kontakte, Teilhabe
an Systemen der Alterssicherung und Krankenversicherungen. Und damit
ist
sie natürlich hoffnungslos überfordert.
Erwerbsarbeit ist nicht "natürlicherweise" knapp, deshalb kommt
man mit einer Knappheitstheorie nicht weiter. Meine These ist: Erwerbsarbeit
ist knapp, weil die Gesellschaftsordnung dies zuläßt. Da
es keinen Beruf "an sich" gibt, werden Berufe immer nur im Rahmen eines
Gesellschaftssystems geschaffen bzw. überflüssig. Theoretisch
sind unendlich viele Berufe denkbar. "Sinn an sich" hat kaum einer.
Hochentwickelte
Gesellschaften haben sich von den biologischen Lebensgrundlagen und
Notwendigkeiten
so weit emanzipiert, daß die weitaus meisten Berufe nur innerhalb
eines bestimmten Gesellschaftssystems entstehen konnten.
Deutschland ist diesbezüglich seiner Sache voraus
Es ist ein alter Menschheitstraum, von der Mühsal und den
Pflichten
des Tages befreit zu werden. Jetzt ist es soweit, und nur eine
Minderheit
freut sich darüber. Alle Erwerbslosen versuchen wieder, in den
Arbeitsprozeß
hineinzukommen. Ich denke, daß aufgrund
des Produktivitätsfortschritts
der nicht beliebig steigerbaren Nachfrage an Gütern und
Dienstleistungen
der unterschiedlichen Talente und Fähigkeiten der Menschen
dieser Trend zur Arbeitslosigkeit trotzdem immer weitergehen wird.
Es wird bei bestimmten demographischen Verteilungen immer mehr
Arbeitslose
geben, weil die Erwerbs-Arbeitenden für sich und die restlichen
Gesellschaftsmitglieder
aufkommen können. In anderen Ländern wird dies durch
Niedriglohnpolitik,
extreme Einkommensunterschiede, Ungerechtigkeiten im Steuersystem etc.
hinausgezögert. Oder durch völlig unglaubwürdige
Statistiken
(ABM, Umschulungen, Frührente, nicht gemeldete illusionslose
Langzeitarbeitslose)
nach unten gerechnet. Fakt ist, daß 20% Arbeitslosigkeit wie in
Ostdeutschland
nicht die Ausnahme, sondern die Regel sind und sein werden.
Abgeschwächt wird diese Entwicklung durch demographische
Entwicklungen:
Es wachsen weniger neue Arbeitskräfte nach als in Rente gehen.
Deshalb
kann man davon ausgehen, daß allein dadurch bis ca. 2010
zumindest
in den Ballungsräumen in Deutschland die Arbeitslosigkeit stark
zurückgehen
wird. Dies gilt allerdings nicht für ländliche Gebiete (v.a.
in Ostdeutschland) und Arbeitslose ohne Ausbildung.
Das grundsätzliche Problem bleibt allerdings bestehen. Es wird
immer Phasen geben mit einem Arbeitsplatzmangel und dann wieder Phasen
mit einem Arbeitskräftemangel. Die Gründe dafür sind
vielfältig
und müssen nicht bekannt sein, um die Folgen dieser Zyklen zu
behandeln.
Die Wirtschaft boomt und keiner merkt es so richtig
Der Blick auf die Arbeitslosenzahlen vermittelt ein gänzlich
falsches
Bild von der wirtschaftlichen Lage. Die Rezession ist seit über
einem
Jahr überwunden. Sichtbar wird dies gerade nicht an der
Beschäftigtenzahl,
sondern anhand der Unternehmensgewinne der Großkonzerne. Die seit
langem anhaltende Hausse (bis Anfang 2000) an den Aktienmärkten
(v.a.
USA und Frankreich, nun auch in Deutschland) kommt nicht von
ungefähr.
In ehemals notleidenden Branchen (Automobilbau, Schwerindustrie) wird
wieder
Geld verdient und die Unternehmen erwirtschaften bisher nicht für
möglich gehaltene Gewinne. Einige wundern sich, daß diese
Gewinne
nicht "investiert" werden und so auf die Arbeitslosenzahlen
durchschlagen.
Das wird aufgrund der ausreichenden Rendite und Produktivität
nicht
passieren. Die Aktienkurse - zumindest der Aktien der großen
Indizes
- werden bei derart niedrigen Zinsen und den phänomenalen Gewinnen
weiter steigen bzw. ein Eigenleben führen, das abgekoppelt vom
Arbeitsmarkt
ist.
Aktualisierung: Der obige Absatz wurde bereits 1999 geschrieben,
inzwischen
sind Aktiennotierungen gerade im Bereich der neuen Technologien wieder
stark gesunken. Allerdings hat sich die Arbeitslosigkeit seitdem nicht
stark verändert. Die wirtschaftliche Lage ist auch lange nicht so
schlecht, wie bei einer unvoreingenommenen Sicht beim Blick auf das Auf
und Ab des Aktienmarktes vermutet werden könnte. Nach wie vor
verdienen
einige Unternehmen in einem früher nicht gekannten Ausmaß,
ohne
daraus zu folgern, neues Personal einzustellen bzw. die Gehälter
zu
erhöhen.
Weitere Aktualisierung: Der vorige Absatz wurde im Jahr 2000
eingefügt,
inzwischen (Jahr 2002) "schwächelt" die deutsche Wirtschaft seit
gut
einem Jahr. Ich habe die beiden vorhergehenden Absätze mit voller
Absicht nicht entfernt, weil man gerade daran sieht, daß auch in
vermeintlich guten Zeiten eine hohe Arbeitslosigkeit besteht. So, wie
die
deutsche Wirtschaft zur Zeit "schlechtgeredet" wird, müßte
sie
im Vergleich zu 1999 doppelt so viele Arbeitslose haben.
Eine Fokussierung auf den "Unternehmensgründer" ist
kontraproduktiv
In letzter Zeit kommen Subventionen für eine
Unternehmensgründung
bzw. für die Person eines Unternehmensgründers in spe in
Mode.
Man hat wohl aufgrund vielfältiger Untersuchungen herausgefunden,
daß Unternehmen von einem Unternehmensgründer ins Leben
gerufen
werden und in der Folge Arbeitsplätze entstehen.
Dies erinnert sehr an den Zusammenhang zwischen Mutterschaft und
Nachwuchs
und an die Folgerung, nun die Frauen zu subventionieren. Damit - in
unserer
heutigen Zeit mit vielfältigen sozialen Beziehungen - Mütter
ein Kind bekommen, müssen gesamtgesellschaftliche
Rahmenbedingungen
adäquat sein. Dies gilt ebenso für Unternehmen, die
Arbeitsplätze
schaffen sollen. Eine Subventionierung der Gründerperson bzw. der
Gründungsidee ist absolut kontraproduktiv, weil sie zu einer
Verzerrung
des Marktes führt und letztendlich nicht hinreichend
überlebensfähige
Unternehmen produziert.
Statt dessen: Rahmenbedingungen über die Politik anpassen
Die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die für eine
stärkere
Zunahme an Unternehmensgründungen und damit Arbeitsplätzen
geändert
werden müßten, sind:
Zum ersten die Befreiung der Erwerbstätigkeit von der
Überforderung
der Integration zu vieler Systeme, wie etwa: Rentenversicherungs- und
Sozialhilfesystem
gekoppelt an Staatsbürgerschaft und nicht an der Teilhabe am
Erwerbssystem.
Streichung aller Subventionen, die auf materielle Produktionen
ausgelegt
sind (Agrar, Bergbau, aber auch Wohngeld).
Streichung von Steuerschlupflöchern (europa- und weltweit).
neues Steuerrecht für Großkonzerne, damit Gewinne nicht
transnational
bzw. in innerbetrieblichen Abteilungen beliebig verschoben werden
können
Einschränkung der Verrechenbarkeit der Umsatzsteuer: ein Teil der
Umsatzsteuer muß abgeführt werden, ein anderer kann
über
die Vorsteuer wie bisher verrechnet werden.
Konsequente Entbürokatisierung und Abbau von
überflüssigen
Regelungen, Gängelungen, (Produkt-)Haftungsrisiken etc. Der Ansatz
des Lebensrisikos muß wieder gestärkt werden (sonst
können
Konsumenten bzw. Kunden Produzenten oder Hersteller in den Ruin klagen.
[ergänzt 2003]
Überstundenabbau durch stärkere Besteuerung von
Überstunden.
[ergänzt 2003]
Im öffentlichen Dienst eher personalfördernde als
personalvermindernde
Handlungsweisen empfehlen: Es kann nicht sein, daß z.B.
Universitäten
von Unternehmensberatern "durchleuchtet" werden und daraufhin
Pförtner
und Hausmeister abgebaut werden und durch Schließanlagen oder
verkürzte
Öffnungszeiten "ersetzt" werden. In den seltensten Fällen
werden
die entlassenen Mitarbeiter einen neuen Arbeitsplatz finden, d.h.:
Letztendlich
muß die öffentliche Hand gesteigerte Kosten tragen
(nämlich
für die Schließanlage bzw. unattraktivere
Öffnungszeiten
und damit Lernumgebungen), aber die Ausgaben in einen anderen Etat
verlagern
(entweder über den Personaletat oder den
Arbeitslosenkassensteuerzuschuß
oder gar über Sozialhilfe) [ergänzt 2003].
Gesamtgesellschaftliche Folgerungen
Nun zu den Folgerungen dieses Ansatzes, wenn man ihn denn akzeptiert
hat.
Ich sehe eigentlich nur drei Möglichkeiten:
1. Wir können weitermachen wie bisher.
Dies wird zu immer weiter steigenden Arbeitslosenzahlen führen,
und
ich behaupte, daß die Zahl der Erwerbsarbeitsplätze
insgesamt
in Deutschland von Jahr zu Jahr weiter zurückgehen wird. Ein
Erwerbsarbeitsplatz
wird immer mehr ein knappes Gut werden. Es wird sicher interessant sein
zu sehen, was dann passiert, wenn auch nur aus einer
wissenschaftlich-objektiven
Perspektive.
Die Probleme der Arbeitslosen werden dadurch aber nicht leichter und
die Zerstörung des umlagenfinanzierten sozialen Rechtsstaats, wie
wir ihn bisher kennen, wird nicht aufzuhalten sein. Für mich ist
es
ein Rätsel, daß die schleichende Zerstörung unseres vom
Ansatz hervorragenden Krankenversicherungssystems nicht ein
größeres
Thema in den Medien ist.
2. Wir können konsequent umbauen.
An erster Stelle wäre die Entlastung der Erwerbsarbeit von den
zahlreichen
psychologischen und soziologischen sowie finanziellen Funktionen zu
nennen.
Die Menschen müssen (z.B. durch höhere Bildung) in die Lage
versetzt
werden, Freizeit sinnvoll und kreativ zu nutzen. Durch andere,
gesellschaftlich
anerkannte Einkommensarten wie z.B. Bürgergeld oder ein sehr hohes
Kindergeld, muß das Arbeitseinkommen von der
Lebensunterhalt-Sicherungs-Funktion
entlastet werden. Das Justizsystem muß stärker auf Strafen
setzen,
die Zeit kosten und weniger auf Geldstrafen, also z.B. mehr
gemeinnützige
Arbeit für Straftäter (nicht nur Gewalttäter, auch z.B.
Steuer-, Verkehrs- und Diebstahldelikte), um die ökonomische
Komponente
einer Strafe zu schwächen.
Bildung, Bildung, Bildung: Es kann nicht sein, daß in Deutschland
das Bildungssystem jedes Jahr zum Sparen genötigt und konsequent
ausgehungert
wird. Nur mit zeitgemäßer Ausstattung und finanzieller
Sicherheit
der Bildungsinstitutionen kann der weitere Verfall -nicht nur der
Gebäude-
der Bildungseinrichtungen verhindert werden. Ich möchte nicht das
US-System als allgemeines Vorbild benennen, wie so viele andere. Dort
gibt
es zwar die besten Universitäten der Welt, aber das
Durchschnitt-Niveau
ist bei weitem nicht so gut wie das deutsche. Natürlich
könnten
die Abonnements amerikanischer Hochschuleinrichtungen auf Nobelpreise
auslaufen,
wenn in Deutschland wieder mehr in öffentliche Forschung
investiert
wird. Ich bin auch gegen eine staatliche Förderung
privatwirtschaftlicher
Forschungsabteilungen. Dies verzerrt den Wettbewerb und die
Wissenschaftslandschaft,
weil in den seltensten Fällen diese Forschungsergebnisse frei
publiziert
werden dürfen und die Auftraggeber in den publizierten Studien
nicht
immer genannt werden.
Kurzfristige Steuerungsmöglichkeiten: Das Auf und Ab der
Arbeitslosenzahlen
sollte durch politische Steuerungsmöglichkeiten stärker als
bisher
beeinflußt werden können. 1) Die Idee eines hohen
"Kindergeldes",
d.h. z.B. 50% des durchschnittlichen Nettolohnes bei einem Kind, 80%
bei
zwei Kindern, 100% bei drei Kindern, würde die (v.a. weibliche)
Erwerbsneigung
stark senken und damit den Arbeitsmarkt entlasten. In Phasen niedriger
Arbeitslosigkeit müßte dann allerdings das Kindergeld wieder
gesenkt werden, um die Erwerbsneigung wieder zu erhöhen. 2) Eine
andere
Möglichkeit für derartige kurzfristige
Steuerungsmöglichkeiten
wäre die Schaffung eines öffentlichen dritten Arbeitsmarktes
mit extremer Niedriglohnzahlung. Der Sinn dieses dritten Arbeitsmarktes
liegt nur darin, die außerhalb der Unterhaltssicherungsfunktion
liegenden
Funktionen der Erwerbsarbeit zu übernehmen (Soziale Funktionen von
Erwerbsarbeit etc.). Einsatzbereiche wären z.B. personalintensive
öffentliche Ausbauten der Infrastruktur (Waldpflege,
Gewässer-
und Küstenschutz, Deichbau, Wanderwege, Restaurationen,
Renovierungen).
Ich kann an einer daraus folgenden hohen Staatsquote nichts schlechtes
finden. NB: Es geht um Arbeitsplätze, die in "guten Jahren"
problemlos
wieder in den ersten Arbeitsmarkt verlagert werden können.
Konsolidierung des Staatshaushaltes. Dies kann auf verschiedene
Möglichkeiten
geschehen, aber ganz klar ist, daß die finanziellen Probleme der
öffentlichen Haushalte in erster Linie nicht auf der Ausgaben-
sondern
auf der Einnahmenseite entstanden sind. Es kann nicht sein, daß
sich
ganze Bevölkerungsgruppen von der Finanzierung der Staatsausgaben
oder -aufgaben (Deutsche Einheit) entzogen haben. Ein Abbau der
staatlichen
Nettoschulden muß so schnell wie möglich Wirklichkeit
werden.
Der Staat nimmt sich mit hohen Zinsverpflichtungen Handlungsspielraum
und
alleine Vermögende profitieren von staatlicher Verschuldung (weil
nur Vermögende von Zinsen profitieren). Damit wird massiv
umverteilt
zugunsten der Reichen und zum Nachteil künftiger Generationen.
Vermögen muß stärker besteuert werden, ebenso wie
Verbrauch
und Energie. Nahezu alle Subventionen müssen beseitigt werden
(vgl.
Rahmenbedingungen).
Entbürokratisierung und negative Einkommenssteuer bzw.
Bürgergeld:
Arbeitslosenhilfe, -geld und Sozialhilfe sowie Wohngeld, Kindergeld,
etc.
werden zusammengefaßt und jedem Bürger monatlich ausgezahlt.
Ab einem gewissen Einkommen entfällt dies und der betreffende
Bürger
wird zum "Nettozahler".
Überstundenabbau und stärkere Berücksichtung von
Teilzeitarbeit.
Es kann nicht sein, daß auf der einen Seite Millionen Menschen
arbeitslos
sind und auf der anderen Seite eine Gruppe von Arbeitnehmern massiv
Überstunden
leistet und sich konsequent überarbeitet ("Karoshi").
Natürlich
hat Teilzeitarbeit seine Grenzen. Ich denke nicht, daß es Sinn
hat,
wenn jeder 8 Stunden pro Woche arbeitet. Eine 35 Stunden Woche ist wohl
das Minimum für eine noch sinnvolle und ergiebige Tätigkeit,
man muß schließlich in seinem Arbeitsfeld Bescheid wissen
und
sich kontinuierlich weiterqualifizieren. Vielleicht ist es deshalb
sinnvoller,
daß z.B. jedem Arbeitnehmer alle zwei Jahre 6 Monate mit halber
Bezahlung
zustehen, o.ä. Lösungen. Erwähnenswert ist auch die
Überlegung,
daß es für jeden gesellschaftlichen Entwicklungsstand ein
Optimum
geben muß für die Durchschnittsdauer der
Erwerbstätigkeit.
Auf der einen Seite steht die Abhängigkeit des Einkommens von der
für die Erwerbstätigkeit aufgewendete Zeit. Auf der anderen
Seite
steht die dem Konsumenten fehlende Zeit zur Konsumtion: Nur wenn ein
Arbeitnehmer
nicht arbeitet, kann er die Güter und Dienstleistungen, die andere
produzieren, nachfragen: Überspitzt formuliert: Wenn jeder 80
Stunden
pro Woche und 52 Wochen im Jahr arbeiten muß, kann keiner mehr in
Urlaub fahren und die Tourismusindustrie bricht zusammen. Also ist es
allein
aus diesem Grund sinnvoll, die Arbeitszeit zu verkürzen.
Innovation und neue Technologien: Ich persönlich war lange Zeit
gegen
eine Fokussierung der Kritik auf die mangelnde
Innovationsfähigkeit
Deutschlands und habe diese Punkte daher lange nicht diskutiert. In den
Gebieten, in welchen ich mich auskenne, d.h. in der modernen
Informations-
und Kommunikationstechnologie, hat Deutschland allerdings kaum zur
technischen
Entwicklung beigetragen. Die gesamte PC-Revolution ging sowohl auf
Hardware-Seite
als auch auf Softwareseite (mit kleinen Ausnahmen: Siemens, SAP, KDE)
gänzlich
an Deutschland vorüber. Der riesige und weiterhin stark wachsende
Markt der digitalen Fotografie wird komplett aus dem Ausland beliefert.
Das heißt: Auf einigen Zukunftsmärkten (nicht in der Chemie,
Automobilindustrie, Medizintechnik) ist Deutschland nicht mehr
präsent.
Man muß sich fragen und sollte dringend wissenschaftlich
untersuchen,
wie dies geschehen konnte bzw. welche Fördermaßnahmen
aufgelegt
werden müssen und welche bürokratischen Hemmnisse abgebaut
werden
müssen, damit dies bei der nächsten innovativen Technologie
nicht
wieder vorkommen kann. Auf Dauer sind innovative Arbeitsgebiete ein
guter
Garant für einen hohen Arbeitsplatzbedarf [ergänzt 2003].
Regionalisierung. Förderung von regionalen Identitäten und
regionalen
Einheiten in Deutschland. Zusammenfassung (Fusion von
Kraftwerksbetreibern,
Kommunen oder Dienstleistern) führt immer zu Arbeitsplatzabbau.
Durch
eine Verhaftung von Firmen in der Region wird verhindert, daß
Kunden
(z.B. ostdeutsche Kunden aus Westdeutschland) versorgt werden. Die
Politik
sollte auf eine Zusammenlegung von Verwaltungseinheiten verzichten
(damit
bleiben auch Ansprechpartner vor Ort und Arbeitsplätze vor Ort
erhalten)
[ergänzt 2003].
Empfohlen sei allerdings eine durchführbare Politik der kleinen
Schritte,
keine große Revolution, die an allen Ecken und Enden ansetzt und
damit zu viele Unwägbarkeiten enthält und Widerstände
erzeugt
und am Ende nicht umgesetzt wird..
3. Wir können die Dinge schleifen lassen und nach und nach an den
Symptomen herumkurieren und
versuchen, diverse Reformen auf den Weg zu bringen und sie dann
verhungern
lassen, mit dem Ergebnis, daß im Prinzip Punkt 1 zutrifft. Der
auch
weniger geneigte Leser wird bereits an der Formulierung merken,
daß
ich an diesen Punkt nicht glaube.
Zusammenfassung der Argumentation
- Diese Thesen sind nicht "weichgespült", es wird oft
pointiert und
oftmals einseitig oder stark verkürzt argumentiert. Das ist
beabsichtigt.
- Ich freue mich über jede Rückmeldung und jeden
Kommentar zu
diesem
Text. Besonders freue ich mich über Hinweise auf passende
Fachliteratur.
- Es geht vom wissenschaftlichen Standpunkt her nicht so sehr um
die
Lösungsmöglichkeiten,
sondern um die Grundthese: Steigende Produktivität bringt
zwangsläufig
zusätzliche und überflüssige "Freizeit" mit sich, die
sich
in Arbeitslosigkeit äußert. Es liegt auf der Hand, daß
man über jede einzelne Lösungsmöglichkeit endlos
diskutieren
kann.
- Aufgrund der starken Resonanz, der zahlreichen Verweise auf
diesen Text
und der häufigen Abrufzahlen habe ich mich entschlossen, einen
umfangreicheren
Aufsatz zum Thema zu schreiben. Der Artikel oder das Buch wird etwa
Ende
2003 veröffentlicht werden.
Wenn Sie bis hier durchgehalten haben...
empfehle ich, folgende Texte auch zu begutachten
Ulrich
Blum: IST DER ARBEITSMARKT GERECHT? Zu den Gefahren der
Arbeitslosigkeit
und der Zukunft der Arbeitsmärkte in Europa - für mich zu
ökonomistisch
und metaphernhaltig, aber aktuell, problemorientiert und gut
geschrieben.
Günter Koch:
Patentrezept
- Teilweise überzogene Schlußfolgerungen und unrealistische
Implementierungsstrategien, aber von der Diagnose des Problems
ausführlicher
als mein vorliegender Text.
Weitere Links zum Thema:
http://www.dreigliederung.de/essays/arbeitslosigkeit.html
- Zwei Beiträge zum Thema Arbeitslosigkeit.
http://www.schwarz-auf-weiss.org/
- Seite mit Artikeln zu vielen Themen, u.a. auch Arbeitslosigkeit (U.
Dörwald)
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